Eine Mutter besuchte ihren Sohn im Krankenhaus. Er hatte Aids und sah sehr schlecht aus. Der Sohn sagt ihr, dass er bald sterben werde. Die Mutter hatte Angst vor seinem Tod, wollte davon nichts hören und versuchte abzulenken.

Sie schauten eine Weile fern, als sich der Sohn wünschte: „Lass uns ein Spiel spielen. Sage mir etwas, was du mir noch nie gesagt hast.“

Die Mutter überlegte etwas, legte sich nah zu ihm aufs Bett und begann: „Ich habe deinen Vater nie geliebt, nicht eine Sekunde lang.“ Er schaute sie verwundert an: „Das wusste ich nicht. Wieso hast du ihn nicht verlassen?“ „Wegen dir, mein Sohn“, sagte sie. „Du warst noch so klein. Ich wusste nicht, wie ich dich allein hätte durchbringen können. Als er starb, war ich sehr erleichtert. Es hört sich bestimmt schlimm an, doch es war so. Komisch, all das zu sagen, fängt an, mir zu gefallen. Es ist so eigenartig reinigend.“

So setzen beide das Gespräch fort. Auch die Mutter war verwundert über manches, worüber ihr Sohn sprach. Noch nie zuvor hatten sie eine derart intensive Unterhaltung geführt. Das erste Mal im Leben waren sie sich unendlich nahe. In ihren Worten flossen Ehrlichkeit und Liebe. Es war eine dieser Sternstunden, die es nur selten gibt. Sie kosteten sie voll aus. Alles, was zwischen ihnen stand, wurde gesagt.

Nach diesem Gespräch schlief der Sohn einige Stunden. Die Mutter saß inzwischen in einem Sessel und schaute ihn die ganze Zeit an. Aus ihr strömte eine tiefe Liebe, die sie zeitlebens für ihn empfunden hatte.

Als er aufwachte, bat er seine Mutter erneut, sich zu ihm zu legen. „Mama, erzähle mir vom Tod“. Sie schmiegte sich an ihn und berichtete von einem Glauben, den sie gehört, jedoch bisher nicht teilen konnte. Doch aus welchem Grunde auch immer fühlte es sich gut an, darüber zu sprechen.

„Der Mensch hat eine Seele. Nachdem sie den Körper verlassen hat, geht sie in den Himmel, um sich dort auszuruhen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kommt sie zurück auf die Erde und wird in einem neuen Körper wiedergeboren.

Es heißt, der Mensch komme auf die Erde, um zu lernen. Er kehrt so oft wieder, bis er seine Ausbildung hier abgeschlossen hat. Ich habe sogar gehört, dass Menschen, die in Liebe verbunden sind, sich erneut begegnen.“

„Das ist gut, Mama“, sagte der Sohn leise, „dann sehen wir uns wieder“. Er ließ einfach los und ging mit einem letzten Atemzug. Danach gab seine Mutter ihn frei, indem sie sagte: „Gut, mein Junge, wir sehen uns später.“