Ein armer Schuster ging durch einen Wald. Das einzige was ihm das Leben gelassen hatte, waren seine Kleider, die er am Leibe trug, eine Tasche mit etwas Brot, Käse und einem Schlauch voll Wasser. Vom langen Wandern müde geworden setzte er sich zum Ausruhen unter einen Baum. Er saß nicht lange, da kam eine alte Frau, auf einen Stock gestützt, und setzte sich zum ihm. „Ich bin müde und habe Hunger und Durst, gib mir bitte etwas zu essen und zu trinken“, sagte die Alte. Der Mann sah auf seine Tasche und antwortete: „Wenn du mit trockenem Brot, einem Stück Käse und etwas Wasser zufrieden bist, so will ich dir die Hälfte von dem geben, was ich noch habe.“ Die alte Frau nickte. So aßen und tranken sie, bis der Beutel leer war. Der gröbste Hunger und Durst waren gestillt.

„Was willst du jetzt tun?“, fragte die Alte. „Ich werde in die nächste Stadt gehen und mir Arbeit suchen.“ „Du hast ein gutes Herz und ich danke dir, dass du mir von dem wenigen, was du besaßest, gegeben hast. Für diese gute Tat kannst du zwischen zwei Geschenken wählen, die ich dir geben kann. Lass dir Zeit und wähle klug, auf dass dein Leben dadurch reicher wird. Du kannst wählen zwischen dem Gefühl der inneren Zufriedenheit oder der Gabe, dass alles zu Gold wird, was du berührst.“

Der arme Schuster dachte eine Weile nach. Sein Leben lang war er sehr arm gewesen. Schon von Kindheit an hatte er sich gewünscht, einmal reich zu sein. Er wollte all die Dinge kaufen, die er bei anderen gesehen hatte oder von denen er immer nur träumte, sich jedoch nie hatte leisten können. Nun ergab sich auf der einen Seite die Chance, ein Leben im Überfluss zu führen. Auf der anderen Seite konnte er mit innerer Zufriedenheit weiterleben. Wie sollte er sich entscheiden? Er überlegte. Mit dem Gold, das er bekam, konnte er sich alles kaufen, was er wollte und würde dann zufrieden sein.

„Hast du gewählt?“ fragte die alte Frau nach einer Weile. „Ja, das habe ich“ antwortete der Schuster. „Ich wähle die Gabe, dass alles zu Gold wird, was ich berühre.“ Die Alte hakte nach. „Bist du dir sicher, dass dies das richtige Geschenk für dich ist?“ Auch diesmal war seine Antwort: „Ja.“ Sie schaute ihn eindringlich an, doch er blieb bei seinem Wunsch und sie sagte. „So soll es geschehen.“ Damit war sie verschwunden.

Als der Schuster seine Tasche berührte, war sie aus purem Gold. Er freute sich und hängte sie um. Als er weiter wanderte, lag ihm ein Zweig im Weg. Als er ihn aufhob, wurde er ebenfalls zu Gold und er steckte ihn ein. Er kam in die nächste Stadt und nahm sich das beste Zimmer, das im Gasthaus zu bekommen war. Er sah von seinem Zimmer aus ein Pferd und eine Kutsche. Er beauftragte den Wirt, beides zu kaufen und gab ihm ein goldenes Blatt. Der beste Schneider der Stadt brachte neue Anzüge, die er für seine Kundschaft bereithielt. Die Bezahlung erfolgte sofort mit purem Gold. Und als die Bewohner der Stadt wussten, dass der Schuster so reich war, boten sie ihm viele schöne Dinge an, die er alle kaufte.

In seinem Zimmer stapelten sich die feinsten Kleider, Schmuck, Schuhe und vieles mehr. Da er vor lauter Aufregung noch keinen Bissen gegessen hatte, ließ er sich die köstlichsten Speisen auf sein Zimmer schicken, die es gab. Es waren Gerichte dabei, die er noch nie in seinem Leben gegessen hatte. Und es roch alles so verführerisch. Als er sich hinsetzte und einen köstlich duftenden Hühnerschenkel in die Hand nahm, so ward er zu Gold. Und als er aus einem Becher Wein trinken wollte, so verwandelte sich auch dieser zu Gold.

Der Schuster war nun reicher als der reichste König des Landes. Er konnte sich alles kaufen, was es überhaupt auf der Welt für Geld zu kaufen gab, und doch hatte er Hunger und Durst. Wie die Alte gesagt hatte, verwandelte sich alles, was er berührte, sofort in Gold. So beschloss er, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Als er in sein Bett kroch, war es sogleich aus Gold. Es ist wohl das kostbarste Bett der ganzen Welt gewesen, das jedoch nicht weich war, sondern hart war wie Stein, wie ein goldener Stein.

Am Morgen, als er erwachte, fühlte er sich weder reich noch zufrieden. Die Glieder taten ihm von dem harten Lager weh, sein Magen knurrte und der Durst wurde mit jeder Minute schlimmer. Der Mann wusste nun, warum ihm die Alte gesagt hatte, dass er klug wählen sollte. Und er wünschte sehnlichst, die innere Zufriedenheit genommen zu haben.

Der Schuster ließ alles stehen und liegen und lief zurück an die Stelle in den Wald, wo er die alte Frau am Tag zuvor getroffen hatte. „Mütterchen“, rief er, „Mütterchen, bitte zeige dich mir. Ich habe einen großen Fehler begangen und ich bereue ihn bitter. Du kannst alles Gold zurückhaben. Bitte komm und zeige dich.“ Doch nichts geschah. So setzte er sich unter einen Baum, schlug seine Hände vor das Gesicht, weinte und schluchzte bitterlich. Er schalt sich selbst einen Dummkopf. Und wie er da saß wie ein Häuflein Elend, erschien die alte Frau.

Er warf sich auf die Knie und umschlang ihre Beine. „Bitte nimm die Gabe zurück, ich mag sie nicht mehr, sie hat mir nur Kummer bereitet.“ „Was willst du tun, wenn ich sie zurücknehme?“ fragte sie. „Ich werde in die nächste Stadt gehen und als Schuster arbeiten, wie ich es gelernt habe.“ So ward aus dem Mann, der alles zu Gold verwandeln konnte, wieder der arme Schuster. Egal, was er von da an in seinem Leben auch verdiente, ob er etwas Geld hatte oder nur Brot, Käse und Wasser, er fühlte sich zufriedener als der reichste Mann des Landes.

Und wenn er nicht gestorben ist, so ist er heute noch glücklich.